der sündenbock
 

es gibt zeiten, da bist du so stark,
dass nichts dich zu erschüttern mag,
da kannst du gscheit und lustig sein.
es geht dir überhaupt nicht ein,
dass es morgen vielleicht schon vorüber ist
und du dir selbst zuwider bist.
du schiebst die schuld auf irgendwas,
das dir grad nicht in den kram passt;
dass alles an dir selber liegt,
ist etwas, das du nie zugibst.

und dann gibt's tage, da läuft's von allein,
du wünschst dir, es sollte immer so sein.
die ideen fahr'n dir wie der blitz ins hirn,
da sind keine bretter vor deiner stirn,
doch dann bist vernagelt auf einmal,
du stellst dir fragen voller qual
und kannst keine antwort darauf finden,
verdächtigst die andern für deine sünden.
aber dass alles bei dir selber liegt,
ist etwas, das du nie zugibst.

es fällt leichter, die schuld nie zuzugeben
und sein elend einfach abzuschieben,
es fällt leichter, nie auf sich selbst zu hören,
sich zu verstecken, sich zu betören
an dem, was andere so meinen,
alles andre interessiert doch keinen!

doch erst wenn du selbst dir am wichtigsten bist,
wirst du sehn, dass dein weg der richtige ist,
und du merkst, dass alles bei dir selber liegt,
schwarze tage genauso wie das glück.



© e.m. florian | 05.1991